Negative Auswirkungen von illegalen Finanzflüssen und Steuerflucht auf Entwicklungsländer

Der folgende Artikel ist verfasst von John Christensen und wird in leicht abgeänderter Fassung in Kürze in einer Publikation der österreichischen Organisation "Globale Verantwortung" erscheinen. An dieser Stelle herzlichen Dank an "Globale Verantwortung", dass wir diesen Artikel veröffentlichen dürfen:

Illegitime Finanzflüsse und Steuerflucht sind vernachlässigte Themen öffentlicher Politik, die massive Auswirkungen auf Armut, Entwicklung und die Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen sowohl in armen als auch in reichen Ländern haben.

Steuern spielen eine entscheidende gesellschaftliche Rolle, indem sie vier Schlüsselfunktionen erfüllen:

· Einnahmen erzielen – zugunsten von Gesundheit, Schulen, Straßen und anderen öffentlichen Investitionen, einschließlich guter Regulierung und Verwaltung

· Umverteilung – erlaubt es Wohlstand in einer Gesellschaft zu verteilen und Fairness und Chancengleichheit zu fördern

· Lenkungsfunktion – verändert oder unterstützt bestimmte Verhaltensweisen Repräsentation – die Stärkung des Steuersystems kann politische Teilhabe erhöhen. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Zahlen von (direkten) Steuern und dem Engagement in demokratischen Prozessen (vgl. Brautigam et al, 2008).

Entwicklungsländer, die ohnehin knapp an finanziellen Mitteln und daher oft übermässig von Auslandsschulden und Hilfsprogrammen abhängig sind, können oft nur einen Teil ihres BIP an Steuern mobilisieren. Das durchschnittliche Verhältnis von Steuereinnahmen zu BIP in Niedrigeinkommensländern liegt bei ungefähr 15%, im Vergleich zu 35% in sogenannten entwickelten Ländern. Die Gründe dafür liegen im großen informellen Sektor und den häufig begrenzten Möglichkeiten der Steuerbehörden, Steuergelder einzutreiben. Darüber hinaus jedoch werden Steuereinnahmen durch massive politische Veränderungen im Weltwirtschaftssystem: weiter ausgetrocknet, z.B.:

· Kapitalverkehrsliberalisierung: Dieses Programm wurde von den internationalen Finanzinstitutionen vorangetrieben, ohne dass gleichzeitig ein internationales Rahmenwerk für effektiven Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden geschaffen worden wäre. Die Steuerflucht in ärmeren Ländern ist dramatisch angestiegen, da reiche Eliten ihre Vermögen in Offshore-Steueroasen anlegen (TJN, 2007).

· Handelsliberalisierung: IWF- und Weltbankprogramme haben in vielen Ländern zu massiven Einnahmeausfällen bei handelsbezogenen Steuern geführt, die außerdem durch WTO-Abkommen beschränkt werden. Andere Steuerquellen konnten diese Verluste nicht wettmachen.

· Steuerwettbewerb: Viele Länder niedrigen und mittleren Einkommens stehen unter massivem Druck, ihre Steuersätze zu senken, sowohl um ausländische Investitionen anzuziehen und zu halten (Körperschaftssteuer), als auch um Kapitalflucht zu verhindern (Zinsbesteuerung).

· konzerninterne Verrechnungspreise: Rund 60% des Welthandels bestehen aus Transaktionen, die zwischen verschiedenen Unternehmensteilen ein- und desselben transnationalen Konzerns getätigt werden. Dabei können die Konzerne ihre internen Preise künstlich hoch oder niedrig setzen und so Gewinne in Ländern mit möglichst niedrigen Steuersätzen ausweisen.

Steuerwettbewerb und konzerninterne Verrechnungspreise sind nur durch Steuer- und Verdunkelungsoasen möglich, welche Geheimhaltung, keine oder eine sehr niedrige Besteuerung und eine laxe Gesetzgebung bieten und so Steuerflucht und Wirtschaftskriminalität unterstützen. Das verschwiegene Umfeld von Steueroasen ermöglicht es Unternehmen und reichen Personen, von den durch Steuereinnahmen finanzierten Vorteilen im eigenen Land (zB. Rechtsstaatlichkeit) zu profitieren, während sie sich gleichzeitig aus ihrer finanziellen Verantwortung stehlen, zu diesen Einrichtungen beizutragen.

Nach konservativen Schätzungen liegt der Umfang ilegaler grenzüberschreitender Kapitalflüsse aus ärmeren Ländern bei 1 Billion US$ jährlich (GFI, 2009)! Mehr als die Hälfte dieser Geldflüsse kommt durch konzerninterne Verrechnungspreise zustande. Ärmere Länder verlieren allein aufgrund betrügerischer Rechnungslegung und der Manipulation interner Verrechnungspreise durch multinationale Konzerne 160 Milliarden US$ an Steuereinnahmen jährlich (Christian Aid, 2008).

Allein durch die Verschiebung von Vermögen wohlhabender Einzelpersonen in Steueroasen gehen jährlich geschätzte 255 Mrd. US$ an Steuereinnahmen weltweit verloren. Mindestens 50 Mrd. US$ dieser Verluste treffen Länder niedrigen und mittleren Einkommens. Die Afrikanische Union schätzt die jährliche Kapitalflucht aus Afrika sogar auf 148 Mrd. US$.

In vielen Niedrigeinkommensländern wirken Steuersysteme regressiv, was bedeutet, dass ärmere Bevölkerungsschichten einen größeren Teil ihres Einkommens zum Steueraufkommen beitragen als wohlhabendere. Dies rührt meist daher, dass diese Länder von Institutionen wie dem IWF zur Ersetzung von handelsbezogenen Steuern und Zöllen durch indirekte Steuern getrieben wurden . Die eingeführten Mehrwertsteuer-Systeme enthalten meist keine Ausnahmen für notwendige Güter wie Lebensmittel und betreffen insbesondere arme, zuvor nicht besteuerte Haushalte.

Was getan werden muss

Die globale Task Force on Financial Integrity and Economic Development empfiehlt folgende Maßnahmen, um Transparenz und internationale Kooperation zur Bekämpfung von illegalen Finanzflüssen und Steuerflucht zu erhöhen:

Einrichtung von Systemen zur Eindämmung von Preismanipulation

Rechungslegung nach Ländern: Verpflichtung Multinationaler Konzerne, im Jahresabschluss Verkäufe, Profite und bezahlte Steuern für jedes Land einzeln auszuweisen

Öffentliche Einsicht in Handelsregister, die den wirtschaftlichen Eigentümer, Stimmanteile und Bilanzen von Unternehmen, Trusts und Stiftungen umfassen muss

Verpflichtender automatischer, grenzüberschreitender Informationsaustausch zwischen nationalen Behörden über Einkommen, Gewinne und Eigentum von nicht im Land ansässigen Personen, Unternehmen und Trusts

Harmonisierung und formale Verabschiedung der Liste von Straftaten, die einer zulässigen Anklage wegen Geldwäsche vorangehen müssen

Die Lösung des „Zwillingsproblems“ von illegalen Finanzflüssen und Steuerflucht wäre ein großer Schritt, um Entwicklungsländer aus ihrer Abhängigkeit von Auslandsschulden und Entwicklungshilfe zu befreien.

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