Über die vielfältigen Schlupflöcher im Deutsch-Schweizer Steuerabkommen haben wir zu hauf berichtet (etwa hier). Eine etwas anders gelagerte Form von Schlupflöchern in Schattenfinanzplätzen können wir seit gestern ebenfalls am Beispiel der Schweiz bestaunen. Wegen ihrer (für den eigenen Geldbeutel) äußerst umsichtigen Außenpolitik nimmt die Schweiz nicht am Ölembargo gegen den Iran teil. Der Schweizer Tagesanzeiger berichtet (hier):
"Über eine Tochtergesellschaft in Bahrain hat die Genfer Firma Vitol
iranisches Heizöl gekauft und es in China angeboten. Recherchen von
Reuters zeigen, wie der in Genf domizilierte Ölhändler die Sanktionen
gegen den Iran umging.[...]
Wie das ging, wird detailliert beschrieben: Ein iranischer Tanker
dockte am Ölterminal Kharg Island in der Woche vom 23. August ab und
fuhr durch den persischen Golf in die Arabische See. Nach Durchfahrt der
Strasse von Malakka verschwand das Schiff am 4. September von den
Radars. Die Crew hatte die Transponder ausgeschaltet. Längsschiff fuhr
bald darauf die Ticen Ocean, ein von der Ölhandelsfirma Vitol
gecharterter Tanker. Die Ladung wechselte den Besitzer. Von der Ticen
Ocean wurde das iranische Öl auf zwei weitere Tanker verteilt. Später
wurde es mit europäischem Öl vermischt.
Den daraus resultierten
«Special Blend» bot Vitol chinesischen Händlern an, wie Recherchen von
Reuters zeigen. Die Journalisten berufen sich dabei auf Dokumente sowie
Gespräche mit zehn Quellen aus der Ölhandelsbranche in Asien, China und
dem Mittleren Osten.
«Das ist nur die Spitze des Eisbergs», sagt
Oliver Classen, Mediensprecher der Erklärung von Bern (EvB), zu
Tagesanzeiger.ch/Newsnet. «Wenn die Marge einer einmaligen Business
Opportunity lockt, kennt diese Branche keine Hemmungen.» Je strikter das
Embargo, desto höher die Margen. [...]
Vitol
ist der weltgrösste unabhängige Ölhändler. Das Unternehmen hat 2800
Mitarbeiter und verzeichnete letztes Jahr einen Umsatz von 291
Milliarden US-Dollar. Vitol versteuert in Genf, den juristischen Sitz
hat die Firma in England, einen weiteren Hauptsitz in Rotterdam. Die
verschachtelte Struktur aus Mutter- und Tochtergesellschaften und Sitzen
in den Ländern, in denen die Gesetzgebung besonders günstig ist, ist
symptomatisch für die auf Diskretion bedachte Rohstoffhandels-Branche."
Der ganze Artikel ist höchst lesenswert (hier). Eher untypisch scheint der Fall Schweiz deshalb für Schattenfinanzplätze zu sein, weil selten ein Steueroasenstaat als ganzer die politische Macht hat, sich gegen von großen Teilen der Staatengemeinschaft verhängte Sanktionen zu stellen. Jedoch ist die Umgehung von Sanktionen ein Teil des Geschäftes das durch Verdunkelungsoasen ermöglicht wird. Das konnten wir erst kürzlich für die Bank Standard Chartered beobachten (hier), die vom New Yorker Staatsanwalt angeklagt wurde im Gegenzug für Gebühren in Millionenhöhe über 60.000 Transaktionen Iranischer Banken und Unternehmen verschleiert zu haben.