Geschrumpfte Schweizer Bankdepots

Die NZZ hat heute in zwei Artikeln die gestern veröffentlichte Statistik der Schweizer Nationalbank über die in Schweizer Banken verwalteten Vermögen untersucht. Neben dem Befund (Artikel hier: Geschrumpfte Bankdepots) wird im zweiten NZZ-Artikel (hier: Statistik lädt zum Rätseln ein) über die Gründe für Inkonsistenzen verschiedener Aussagen gemunkelt. Der wichtigste Befund vorneweg:
Laut Nationalbank-Statistik sind die in der Schweiz verwalteten Bankdepots ausländischer Privatkunden innert Jahresfrist um 90 Mrd. Fr. geschrumpft. [...] Dies entspricht einem Rückgang innert Jahresfrist von über 12%.
Diese Botschaft an sich dürfte für Aufregung sorgen. Die Schweiz ist dieser Tage emsig bemüht in bilateralen Verträgen die Steuerprogression auf Anlageeinkünfte ein für allemal abzuschaffen. Wir erinnern uns: bisher mit Großbritannien und Deutschland schickt sich die Schweiz an, eine Abgeltungssteuer zu verabreden, die einen linearen Steuersatz auf grenzüberschreitende Kapitaleinkünfte vorsieht (siehe hier). In anderen Worten, wer sein Geld in der Schweiz anlegt soll also künftig unbeachtet der deutschen Rechtslage nur noch den mit Deutschland ausgehandelten Einheitssteuertarif bezahlen. In TJN werden wir nicht müde darauf hin zu weisen, dass es keine demokratische Legitimation für diese Extrawurst in der Behandlung von Einkünften gibt, denn Einkommen aus Arbeit werden nach wie vor mit deutlich über 40% besteuert.

Was nun aber zusätzlich für Verwirrung sorgt, sind die dazu widersprüchlichen Meldungen der Schweizer Banken:
Einerseits melden viele Schweizer Banken trotz der Verunsicherung um das hiesige Bankgeheimnis weitere Nettozuflüsse von Kundengeldern aus dem Ausland, anderseits zeigt die neuste Statistik der Nationalbank (SNB) einen Rückgang der in der Schweiz verwalteten Vermögen ausländischer Privatkunden um über 12% bzw. rund 90 Mrd. Fr. innert Jahresfrist.
Von den vier möglichen Erklärungen für diesen Widerspruch, welche die NZZ erörtert, möchten wir eine herausgreifen:
Erhebliche Kundenvermögen wurden bankintern von der Schweiz in ausländische Niederlassungen verschoben – was in der SNB-Statistik, welche nur die von der Schweiz aus verwalteten Vermögen erfasst, als Minus aufscheint, nicht unbedingt aber in den Publikationen der Schweizer Banken.
Diese Vermutung entspricht den Ergebnissen, die während einer Evaluierung der EU-Zinsrichtlinie durch die EU-Kommission seit 2008 vorliegen (hier). Und genau darum brauchen wir die Erweiterung und Überholung der EU-Zinsrichtlinie nach gegenwärtiger Vorlage (hier). Denn dieser Vorschlag sieht vor, dass die Zinsrichtlinie nicht länger an papiernen Grenzen ihre Wirkung verliert, sondern für alle weltweiten Tochterunternehmen europäischer Banken gilt. Wenn bspw. der Schweizer Mutterkonzern der UBS die Konten seiner Kunden z.B. fortan durch ihr Tochterunternehmen in Singapur verwaltet, erfasst die gegenwärtige Zinsrichtlinie diese Gelder nicht mehr. Die zur Zeit diskutierte Neuerung hingegen sieht vor, dass alle Tochterunternehmen -und banken, auch in Singapur, unter die europäische Zinsrichtlinie fallen, ungeachtet des papiernen Aufenthaltsortes.

Könnte diese Abwanderung der Gelder nicht ein neues gemeinsames Interesse der Schweiz an der gründlichen Überarbeitung der Zinsrichtlinie wecken? Käme die Schweiz voll unter den Schirm einer wirkungsvollen EU-Zinsrichtlinie, dann gäbe es in der Tat eine faire Wettbewerbschance für den Schweizer Bankenplatz um Kundengelder aus Europa und den USA. Die vielbeschworene "Dienstleistungsqualität" der Schweizer Banken könnte so voll zum Zuge kommen.

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