TJN bei Bundestagsanhörung zu Schwargeldbekämpfungsgesetz

Im Bundestag findet heute die Anhörung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz statt und Markus Henn vertritt dort die Position von TJN. Im Gesetzentwurf geht es unter anderem um die Begrenzung der Straffreiheit bei einer Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung. Nur dann, wenn
Selbstanzeigender vollständig steuerehrlich sind, soll künftig Straffreiheit gewährt werden. Zwar begrüßt TJN diese Verschärfung, wir weisen aber auf große weiterbestehende Lücken im vorliegenden Gesetzentwurf hin. Die ganze Stellungnahme unten (oder hier als pdf), alle Stellungnahmen finden sich hier.

II. Allgemeine Vorbemerkung zur Steuerfluchtbekämpfung

Bei der Steuerhinterziehungsbekämpfung ist Deutschland im internationalen Vergleich kein Vorbild. Dies liegt nicht am Willen der SteuerbeamtInnen, sondern an den unzureichenden gesetzlichen Rahmenbedingungen und der mangelhaften Ausstattung und Ermächtigung der Steuerbehörden. Verbesserungen, die in den letzten Jahren vorgenommen wurden, bleiben weit hinter einer wirklich effektiven Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung zurück.

Schon im Fall des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes wurde keine effektive Verfolgung von Steuerflucht umgesetzt. Die beschlossenen Änderungen gehen zwar in die richtige Richtung und schaffen eine gewissen Drohkulisse gegenüber SteuerhinterzieherInnen und gegenüber Steueroasen. Allerdings wurde durch den Einfluss der Finanzlobby das Gesetz in zentralen Punkten geschwächt, v.a. in der Hinsicht, dass die bloße Bereitschaft zur Umsetzung des OECD-Standards ausreichend sei. Aber auch grundsätzlich ist das Gesetz zu schwach, weil es sich nur auf den Informationsaustausch auf Anfrage beschränkt.

III. Zum vorliegenden Gesetzesentwurf

1. Geldwäsche (Artikel 1 – Änderung des Strafgesetzbuchs)
Der Umfang illegaler Finanz-, Waren- und Ressourcengeschäfte sowie des Menschenhandels wird weltweit auf jährlich 650 Milliarden US$ geschätzt . Steueroasen spielen dabei eine Schlüsselrolle, denn sie ermöglichen Finanzströme aus Entwicklungsländern, die Bestechungszahlungen, Gewinne aus organisierter Kriminalität und vor allem Gelder aus Steuerflucht umfassen.

In der Evaluation der Financial Action Task Force (FATF) zur Geldwäschesituation in Deutschland vom Februar 2010 wurden nur 5 der 49 FATF-Empfehlungen als vollkommen umgesetzt beurteilt, 24 als überwiegend umgesetzt, 15 als teilsweise umgesetzt und fünf als nicht umgesetzt. Die FATF kam zu dem Schluss, dass viele Indikatoren auf die Anfälligkeit Deutschlands hinsichtlich Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung weisen. Zurzeit wird das wirtschaftliche Gewicht dieser kriminellen Aktivitäten, inklusive der Steuerhinterziehung und –vermeidung, auf 40 bis 60 Milliarden Euro geschätzt. In und von Deutschland aus wurden zudem terroristische Aktivitäten ausgeführt. Ferner wird der deutsche informelle Sektor als sehr groß eingeschätzt (mindestens 400 Milliarden Euro).

Besonders bemängelt wird von der FATF die fehlende Identifizierungsmöglichkeit wirtschaftlicher Eigentümer von Treuhandfonds, Stiftungen und ähnlichen Rechtsvereinbarungen. In Bezug auf solche Rechtspersonen bemerkt die FATF: „Der Umfang an verfügbaren Informationen über Eigentum und Kontrolle deutscher Rechtspersonen hängt stark von deren jeweiliger Rechtsform ab. Die Hauptinformationsquellen sind öffentliche Register, jedoch enthalten diese nicht immer alle relevanten Informationen. Die verfügbaren Informationen sind bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, die Inhaberaktien ausgeben, beträchtlich eingeschränkt und bei privaten Stiftung fast gar nicht vorhanden“ .

Die vielen Mängel der deutschen Rechtsgestaltung werden momentan im Rahmen verschiedener Gesetzgebungsprozesse angegangen. Das vorliegende Gesetz nimmt dabei die Veränderungen bei den Vorstraftaten für Geldwäsche vor, wie sie in den FATF-Empfehlungen 1 und 35 angemahnt werden. Laut dem Gesetzesentwurf sollen in § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Buchst. b StGB (Geldwäsche, Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte) als Vorstraftatbestände § 38 Absatz 1 bis 3 und 5 des Wertpapierhandelsgesetzes sowie nach den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes, den §§ 106 bis 108b des Urheberrechtsgesetzes, § 25 des Gebrauchsmustergesetzes, den §§ 51 und 65 des Geschmacksmustergesetzes, § 142 des Patentgesetzes, § 10 des Halbleiterschutzgesetzes und § 39 des Sortenschutzgesetzes ergänzt werden.

TJN begrüßt die Erweiterung des Vorstraftatenkatalogs. Gleichzeitig gilt es, die verbleibenden von der FATF festgestellten Mängel rasch zu beheben.

2. Strafbefreiende Selbstanzeige (Artikel 2 – Änderung der Abgabenordnung, § 371, Absatz 2, Nummer 3 neu)


Die Selbstanzeige ist eine im deutschen Strafrecht einmalige Regelung. Trotz vollendeter Straftat kann der Straftäter völlige Straffreiheit erlangen. Bisher war es möglich, sich sogar durch eine nur unvollständige Anzeige Straffreiheit zu sichern.

Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll keine Straffreiheit gelten, wenn „die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ihrerseits unrichtige oder unvollständige Angaben im Sinne des § 370 Absatz 1 Nummer 1 enthält und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.“ Zugleich wird zusätzlich die Prüfungsanordnung nach § 196 AO als Ausschlussgrund eingeführt.

TJN begrüßt grundsätzlich die Neuregelung, die vollständige Offenlegung zu verlangen, weil dadurch etwas mehr Strafgerechtigkeit geschaffen wird. Allerdings stellt die Selbstanzeige an sich eine Regelung dar, die eine inakzeptable Strafungleicheit innerhalb der Bevölkerung schafft. Zunächst stellt das Gesetz Steuerehrliche und SteuerbetrügerInnen prinzipiell gleich. Dies ist auch weiterhin der Fall. Die Ungerechtigkeit ist umso größer, als BürgerInnen, die schon vermögend sind und sich dann strafbar machen, eine Vorzugsbe-handlung erfahren, auf die andere und v.a. oft ärmere Straftäter – wie zum Beispiel bei der Hinterziehung von Sozialleistungen – nicht hoffen können. Vor diesem Hintergrund wäre die Abschaffung der Strafbefreiung bei Selbstanzeige ein ultimatives Ziel. Jedoch ist TJN be-wusst, dass dies eine weitaus konsequentere Aufdeckung von Steuerflucht und Strafverfol-gung von Steuerflüchtigen voraussetzt, um so die Selbstanzeige überflüssig zu machen (siehe dazu Abschnitt IV). Unter den gegebenen Umständen kann die Selbstanzeige als Instrument für mehr Offenlegung dienen und dem Fiskus zumindest Zugriff auf einen Teil der hinterzogenen Gelder geben.

Sofern die strafbefreiende Selbstanzeige fortbesteht, muss man sie zumindest deutlich einschränken bzw. verschärfen. Auch ein Bericht der OECD von September 2010 hat gezeigt, dass Deutschland vergleichsweise milde mit Steuerstraftätern umgeht, was die Strafbefreiung angeht. In anderen Ländern gelten zum Teil deutlich strengere Gesetze. Für eine Verschärfung gibt es folgende Vorschläge vonseiten des Tax Justice Network:

  1. Zinszuschläge sollten deutlich höher sein. Momentan sind die Zinsen für SelbstanzeigerInnen (§ 238 AO) nur halb so hoch wie die Zuschläge für steuerehrliche säumige SteuerzahlerInnen (§ 240 AO).
  2. Die Geldstrafen sollten nur reduziert und nicht ganz aufgehoben werden. Die ist auch in anderen OECD-Ländern der Fall. So führt die Selbstanzeige in Dänemark lediglich zu einem Straferlass von 50 Prozent; in Australien wird nur bei hinterzogenen Beträgen von unter 1.000 AU$ keine Geldstrafe erhoben, ansonsten liegt sie bei 20 Prozent des Betrags ohne Selbstanzeige. Auch in Italien, Japan und den Niederlanden bestehen solche Reduzierungen statt einer kompletten Straffreiheit.
  3. Die Anwendung der Strafbefreiung sollte beschränkt werden. Für besonders schwere Fälle gemäß § 370 Abs. 3 AO sollte sie ausgeschlossen sein. Ferner sollte die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige nur einmal im Leben gewährt werden – eine solche Regelung findet sich auch in einigen OECD Staaten, beispielsweise in Kanada und der Schweiz. Die Bundesregierung sollte zumindest wiederholten Selbstanzeigern weniger Vorteile einräumen als Erstanzeigern.

3. Übergangsvorschrift (Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordung)

Die vorliegenden Änderungen des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung bedeuten praktisch eine Amnestie für SteuerhinterzieherInnen, die vor Einführung von § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO neu aus strategischen Gründen von der Selbstanzeige Gebrauch gemacht haben, ohne dabei alles offenzulegen. Dies wird mit dem Argument der Rechtssicherheit begründet. Aus Sicht von TJN würde eine Übergangsfrist zum vollständigen Nachholen aller Angaben völlig ausreichen, den Vertrauensschutz zu gewährleisten. Gleichzeitig würden strategische Selbstanzeiger nicht länger für ihr Taktieren belohnt.

IV. Weitere Vorschläge zur besseren Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung

TJN fordert außerdem die Bundesregierung auf, die folgenden Maßnahmen zusätzlich zu ergreifen:

Das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung muss klar verschärft werden:

  1. Es braucht einen automatischen Informationsaustausch. Dass dies national möglich ist, zeigt das Beispiel der USA mit dem Foreign Account Tax Compliance Act , der ab 2012 einen automatischen Informationsaustausch zwischen Finanzinstituten und Steuerbehörden im Zusammenhang mit US-Steuerdaten vorsieht.
  2. Es braucht eine ernstzunehmende Liste mit Steueroasen. Deutschland sollte sich nicht auf die nutzlosen Listen der OECD und die zugrunde liegenden Standards verlassen. Das TJN hat bereits im 2009 einen Schattenfinanzindex (Financial Secrecy Index) vorgelegt. Vorbildhaft ist auch die 2010 beschlossene Steueroasenliste von Brasilien. Laut dieser Liste gelten 65 Länder als Steueroasen, darunter auch Länder, die keinen Mindeststeuersatz von 20% für Einkommen erheben . Wie schädlich allgemein zu niedrige Steuern langfristig für ein Gemeinwesen sind, hat das Beispiel Ir-land zuletzt eindrucksvoll demonstriert.
  3. Es braucht schärfere Sanktionen gegen Aktivitäten in Steueroasen. Auch hier sind andere Länder deutlich ambitionierter als Deutschland. Frankreich erhebt eine Quellensteuer von 50 Prozent auf Dividenden, Zinsen und Lizenzabgaben aus Steueroasen und gewährt keine Steuerbefreiung für Dividenden, die von einem Tochterunternehmen in einer Steueroase an seine Konzernmutter gezahlt werden. Großbritannien hat gerade sogar eine Strafsteuer von 200 Prozent auf verschwiegene Einkommen und auf Gelder aus Steueroasen eingeführt. Ähnliche Regelungen sollten in Deutschland ebenfalls möglich sein.

Eine hinreichend ausgestattete Steuerverwaltung ist von großer Bedeutung. Wie die OECD in ihrem Bericht von Februar 2010 betont, sind Anreize zur Selbstanzeige von Steuerhinterziehung nur dann wirkungsvoll und gesellschaftlich akzeptiert, wenn gleichzeitig nicht selbstangezeigte Delikte effektiv verfolgt und geahndet werden. So äußert die FATF ausdrücklich ihre Besorgnis im Hinblick auf die niedrige Anzahl der Geldwäsche-Verdachtsanzeigen, vor allem bezüglich deren sehr geringer Anzahl im Bundesland Hessen, wo sich Deutschlands Finanzzentrum Frankfurt befindet. TJN fordert deshalb:

  1. Es braucht ein bundesweit einheitliches Vorgehen bei der Steuerfahndung, besser noch eine Steuerfahndungsstelle auf Bundesebene.
  2. Allgemein braucht es mehr finanzielle und personelle Mittel. Insbesondere wenn Verjährungsfristen ablaufen, sollte eine schnelle und verlässliche Aufstockung der Mittel möglich sein. Sondereinheiten sollten gebildet und verstärkt werden.
  3. Die Steuerstrafverfolgung muss unabhängiger werden. Letztlich sind Staatsanwälte sowohl generell als auch in individuellen Fällen an die Anweisungen des Justizministeriums gebunden (§§ 146, 147 GVG). Seit langem fordert die deutsche Richtervereinigung eine Abschaffung dieser Bestimmung. Zwar wird sie in der Praxis nicht häufig angewandt, sie trägt aber zu vorauseilendem Gehorsam und damit zu Vollzugsdefiziten bei.
Das steuerliche Bankgeheimnis nach § 30a AO soll aufgehoben werden. Es schützt SteuerhinterzieherInnen, ohne einen erkennbaren Anreiz zur Steuerehrlichkeit zu bieten. Notwendig wäre dagegen eine grundsätzliche Kontrollmitteilungspflicht.

Die EU-Zinsrichtlinie muss überarbeitet werden. Der automatische Informationsaustausch muss auf juristische Personen und auf alle Kapitaleinkünfte erweitert werden. Ausnahmen, wie sie derzeit für Luxemburg und Österreich bestehen, sollten unzulässig sein. Außerdem sollten Drittländer einbezogen werden .

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